Im März 2021 hat sich aus der Nachbarschaft im Musikerviertel eine Gruppe aufgemacht, den Blick der Stadtpolitik auf die Entwicklung des Musikerviertels zu lenken.
Seinerzeit schien möglich, dass Charakter unseres Wohnquartiers als kleinteilig bebaut und durchgrünt langsam verlorengehen könnte. Mit unserer Initiative wollten wir einen Beitrag dazu leisten, dass sich das Musikerviertel baulich maßvoll entwickeln kann, vor allem, dass es seinen gegebenen Charakter behält.
Die Stadtverordnetenversammlung hat dazu Beschluss gefasst und die Stadtverwaltung beauftragt, geeignete Planungsinstrumente zu prüfen.
Mit der Vorlage 23/SVV/0819 hat die Stadtverwaltung den geforderten Bericht zu den bau- und planungsrechtlichen Steuerungsmöglichkeiten im Musikerviertel erstattet.
Die Stadtverwaltung hat drei Möglichkeiten geprüft. Im Ergebnis hat die Stadt festgestellt:
„Auf eine städtebauliche Steuerung des Musikerviertels über
kann daher aus den dargestellten Gründen aus Sicht der Verwaltung verzichtet werden.“
Rechtlich sind die geprüften Instrumente zutreffend. Das Ergebnis der Prüfung ist zwar ernüchternd, aber dennoch darf die Initiative, die von der Nachbarschaft im Musikerviertel ausging, als Erfolg gewertet werden.
Zunächst einmal hat der Bericht uns, die Nachbarschaftsinitiative, als identitätsbildend wahrgenommen. Das heißt: Wir wurden gehört - und wir werden weiter gehört werden. Das ist wichtig und wird weiter wichtig bleiben.
Darüber hinaus ist der Bericht detailliert und ernsthaft; entsprechend wurde die Initiative auch ernst genommen.
Zum Untersuchungsbericht ein paar Einzelheiten:
Als Kern der Untersuchung ist bezeichnet, wie eine „Steuerung des Musikerviertels erfolgen kann, die der Sicherung der vorhandenen ortsbildprägenden gestalterischen Qualitäten und einer hierauf bezogenen baulichen Dichte dient.“
Schaut man auf Details des Berichts, finden sich kritische Punkte. So heißt es im Bericht, die Herstellung des Musikerviertels könne „als städtebaulich abgeschlossen betrachtet werden. Auf den Grundstücken innerhalb dieses Gebiets ist ein differenziertes bauliches Erscheinungsbild entstanden, das die besondere städtebauliche Qualität dieses Gebiets erkennen lässt.“
Die Annahme eines „differenzierten Erscheinungsbildes“ aber kann eine weitere Ausdifferenzierung legitimieren, d. h. im Ergebnis auch ein Verschwinden der „vorhandenen ortsbildprägenden gestalterischen Qualitäten und einer hierauf bezogenen baulichen Dichte“ bewirken. Es wird ja gerade kein baurechtliches Steuerungsmittel gesehen, d. h., die Entwicklung kann allseits „frei“ erfolgen, solange sich das Bauvorhaben nach „Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“ (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Bei einer „differenzierten Bauweise“, wie sich bereits jetzt im Musikerviertel zeigt, kann ein „Einfügen“ also schon dann gesehen werden, wenn das Bauvorhaben einigermaßen die lokalen Größenvorgaben einhält. Die äußerliche Gestaltung wiederum ist – weil ja bereits jetzt differenziert – nahezu völlig freigestellt.
Das zu sehen, ist umso wichtiger, als der Bericht geht an mehreren Stellen von einer „Heterogenität“ der Bebauung ausgeht. Allerdings bezieht er dies auf das Musikerviertel insgesamt. Nähme man etwa nur die Wagner- und die Beethovenstraße als Maßstab, ist die Heterogenität, die der Bericht sieht, eindeutig nicht gegeben. Das sieht der Bericht auch für die „Gagfah-Siedlung“, meint aber, dass genau deshalb, als sich der „Gagfah“-Stil im weiteren Umkreis des Musikerviertels nicht findet, sich „für das gesamte Gebiet eine Erhaltungssatzung als Steuerungsinstrument aus Sicht der Verwaltung“ nicht anbiete. Das heißt nichts anderes, als dass überall, also auch in der „Gagfah-Siedlung“, die Bebauung als heterogen gewertet werden könne.
Das aber ist eindeutig falsch. Hier bleibt es weiter Aufgabe vor allem der Nachbarschaftsinitiative, auf die weitere bauliche Entwicklung zu achten, sie aufmerksam zu begleiten und, wenn erforderlich, auch auf Fehlentwicklungen hinzuweisen.
Der Gesamtbericht ist öffentlich. Er kann hier im Einzelnen nachgelesen werden.
Mit nachbarschaftlichen Grüßen
Carsten Diekmann
Im Ergebnis des Berichtes wurde der Vorgang auf der Stadtverordnetenversammlung am 06.09.23 ohne weitere Erörterung in den Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Wohnen und Integration (GSWI) verweisen. Hier die Dokumente:
Die LHP hat sich im Bericht umfassend geäußert. Im Ergebnis empfiehlt sie nicht, eine Erhaltungssatzung, d. h. eine Satzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu bestimmen. Die Überlegung der Stadtverordneten der SPD ist nun, eventuell eine Soziale Erhaltungssatzung zu entwickeln. Deshalb die Überweisung in den GSWI.
Hier eine kurze Erläuterung von Carsten Diekmann:
Auch eine Soziale Erhaltungssatzung folgt aus dem Baugesetzbuch (BauGB, hier in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2). Mit ihr soll, vereinfacht gesagt, "auswärtiges Geld" aus einem Viertel ferngehalten werden, jedenfalls eine Zeitlang. Damit zielt man ab auf Investoren, die im Viertel massiv Geld einsetzen wollen, um Häuser und/oder Wohneinheiten aufzukaufen, diese dann teuer zu sanieren und anschließend teuer weiterzuverkaufen oder entsprechend zu vermieten. Zu solchen Aktionen können natürlich auch Aufkäufe mit anschließendem Abriss und Neubau gehören. Dabei kommt es nicht zuerst darauf an, dass solche wirtschaftlichen Vorgänge nicht stattfinden, sondern abzuwehren, dass durch eine solche Entwicklung Segregation vorangetrieben wird, indem aus einem Viertel die weniger Betuchten verdrängt werden. Eine Soziale Erhaltungssatzung zielt also nicht zuerst auf die Bausubstanz ab, sondern auf - wenn man so will - den Erhalt die "Familie", die vor Ort wohnt und die sich bis jetzt nach und nach und auch verträglich zusammengefunden hat.
Unsere Einschätzung: Das läuft in die richtige Richtung. Falls man sich in der SVV auf eine weitere Entwicklung in Richtung Soziale Erhaltungssatzung einigt, wird es zu einer Befragung der Anwohnenden im Viertel kommen. Das wird voraussichtlich nicht vor Frühjahr/Sommer 2024 stattfinden, eher später. Potsdam wählt am 9. Juni 2024 eine neue Stadtverordnetenversammlung, vorher wird sich da wohl wenig entscheiden, eventuell könnte das Thema im Wahlkampf ......
Inhalt der Mitteilung:
Die Stadtverordnetenversammlung nimmt zur Kenntnis:
Die Stadtverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung am 25.08.2021 den Beschluss „Sicherung
Musikerviertel" (DS 21/SVV/0859) gefasst. Darin ist u.a. festgelegt, dass eine Berichterstattung bis
Ende des Jahres 2021 vorzusehen ist.
Entsprechend des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung „Vereinbarung von Prioritäten für
die Verbindliche Bauleitplanung, hier: Prioritätenfestlegung 2022/2023" (DS 21/SVV/1121, Beschluss
vom 26.01.2022), in dem diese Aufgabe zur Einstufung in Priorität 2Q festgelegt wurde, wurden
personelle Kapazitäten für die vorgesehene Prüfung des geeigneten Planinstrumentariums zur
Sicherung der erhaltenswerten baulichen Strukturen des Musikerviertels frühestens ab April 2022
angenommen. Mit Eintritt dieses Datums wurde jedoch ersichtlich, dass die personellen Kapazitäten
(gemäß der von der SVV beschlossenen Prioritätenfestlegung) eine kontinuierliche Betreuung der
Aufgabenstellung frühestens im Frühjahr 2023 ermöglichen.
Das Ergebnis einer Prüfung des geeigneten Planinstrumentariums zur Sicherung des Musikerviertels
wird im zweiten Quartal 2023 erwartet. Bis zum 06.09.2023 soll die daraus zu erarbeitende
Mitteilungsvorlage dann der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt werden.
Die Stadtverordneten werden gebeten, vor der Erteilung von terminierten Prüfaufträgen gemeinsam mit
der Verwaltung eine realitätsnahe Terminsetzung zu vereinbaren, die die vorhandenen
Personalressourcen berücksichtigt.
Zur Erinnerung:
"Die Stadtverordnetenversammlung beschließt:
Der Oberbürgermeister wird beauftragt zu prüfen, mit welchem Satzungsinstrumentarium des Baugesetzbuchs (BauGB) oder der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO) eine städtebauliche Steuerung des Musikerviertels in Babelsberg erfolgen kann, die der Sicherung der vorhandenen ortsbildprägenden gestalterischen Qualitäten und einer hierauf bezogenen baulichen Dichte dient.
Hierbei soll auch ein Vorschlag zur Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs einer solchen Satzung vorgenommen werden. Eine Berichterstattung ist bis zum Ende des Jahres 2021 vorzusehen."
Leider haben wir erst auf Nachfrage beim Büro der SVV und in den Fraktionen erfahren, dass durch den OB in der SVV im Dezember eine Terminverschiebung bis Ende 2022 beantragt wurde und diese auch akzeptiert wurde.